Mit seiner Absage für den Aus- oder Neubau des Schiffshebewerkes Scharnebeck im Elbe-Seitenkanal hat sich Bundesverkerhsminsiter Peter Ramsauer kein Freunde gemacht. Was zu erwarten war. Die Heftigkeit der Kritik, vor allem über die Begründung Ramsauers, ist aber enorm.
Dass der Bund sparen muss, ist auch den Fachverbänden des „nassen“ Verkehrssystems klar. Der Bundeverband der öffentlichen Binnenhäfen (BÖB), der Bundesverband der deutschen Binnschiffahrt (BDB) und der BDS Binnenschifffahrts (BDS) haben am 3. und 4. April aber deutlich gemacht, dass sie weder die angeführten Gründe, noch die Absage an den Bau hinnehmen können.
Unterstützt werden die Schifffahrts- und Hafenverbände durch den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), den Bund Umwelt und Naturschutz (BUND), die Spediteurorganisation DSLV, Verdi sowie durch den VSM. Gemeinsam haben die Verbände einen Brief an den Verkehrsminister verfasst.
Ramsauer hatte dem niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister geschrieben, dass die Leistungsfähigkeit des Hebewerkes für die nächsten 30 Jahre ausreichend sei. Die Verbände widersprechen vehement: Die Kapazitäten des Elbe-Seitenkanals würden aufgrund des Verkehrszuwachses ohne den Ausbau Scharnebeks in absehbarer Zeit an ihre Grenze stoßen. Und schon heute fällt verschlissene Hebewerk immer wieder unplanmäßig aus.
Damit werde es unmöglich, Güterverkehre nachhaltig auf das Binnenschiff zu verlagern. Bei allem Verständnis für Sparzwänge könne es sich Deutschland nicht erlauben, an einer so entscheidenden Stelle bloße Mangelverwaltung statt bedarfsorientierter Investitionen zu betreiben.
„Die Entscheidung des Ministers steht im Widerspruch zu den verkündeten Absichten des BMVBS und des Hafens Hamburg, die mit dem Binnenschiff abgefertigten Gütermengen im Hamburger Hinterlandverkehr in den kommenden Jahren zu verdoppeln“, erklärte BDB-Präsident Georg Hötte.
Schlieter: „Ausfall Scharnebecks ist ein Orakel.“
Auch Jürgen Schlieter, der Vorsitzende des BDS-Binnenschifffahrt findet klare Worte: „Angesichts der Verkehrsprognosen ist das Inkaufnehmen vorhersehbarer Ausfälle unverantwortlich. In Scharnebeck wird an der völlig falschen Stelle gespart“, so Schlieter. „Den aktuellen Ausfall des Hebewerkes betrachte ich daher als Orakel für Minister Ramsauer, das ihn die Frage nach der Zukunft Scharnebecks vielleicht doch noch anders beantworten lässt!“
Kritik aus den eigenen Reihen
Kritik an Ramsauers Infrastrukturpolitik kommt aber nicht nur aus der Wirtschaft, sondern auch aus Unionskreisen. „Es ist nicht erkennbar und wird von Experten der Verwaltung vor Ort sogar massiv bezweifelt, dass das Hebewerk nach Abschluss der Arbeiten einen reibungslosen Schiffsverkehr zulassen wird“, stellte der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke in einem Schreiben an Ramsauer fest, das den Verbänden vorliegt. Klimke ist davon überzeugt, dass nicht zuletzt aufgrund der unzureichenden Trogkammerlänge von nur 100 Metern ein alternatives Abstiegsbauwerk dringend erforderlichsei.
Problemfall Containerverkehr
Probleme sieht die Branche zudem für die Zukunft des Containerverkehrs. Auch bei den Leercontainern ist ein stärkerer Einsatz des Binnenschiffs geplant. Es fehlen im Hamburger Hafen Plätze für Leerdepots. Diese sollen vermehrt im Umland entstehen und die Container dann mit dem Binnenschiff abgefahren werden, da der Transport mit Bahn und LKW bereits heute an seine Kapazitätsgrenzen stößt.
„Der Hamburger Hafen benötigt die Binnenschifffahrt für sein angestrebtes Wachstum im Containerverkehr. Viele Binnenhäfen im Hinterland sind schon jetzt gut für steigende Containermengen gerüstet oder werden es zeitnah sein“, versichert Jens Hohls, Vorstandsmitglied des BÖB und Hafenchef in Braunschweig. „Dazu ist der Ausbau oder Neubau des Schiffshebewerks Scharnebeck allerdings zwingend erforderlich, um im Wettbewerb mit der Straße und Schiene konkurrenzfähig zu sein. Andernfalls wird der Stau im Hamburger Hafen unvermeidlich sein.“
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