Fünf Jahre nach der „Pallas“-Havarie im Jahr 1998 wurde das Havariekommando für die deutsche Küste eingerichtet. Eine ähnliche Rolle spielt die „Waldhof“-Havarie derzeit für die Binnenschifffahrt: Die Generaldirektion Wasserstraßen- und Schifffahrt (GDWS) hat die organisatorische Abwicklung bei schweren Havarien untersucht und die Aufstellung eines Havariemanagement-Stabes beschlossen.
Vor rund 25 Mitgliedern und Gästen der Vereinigung westdeutscher Schiffssachverständiger Duisburg (VWSD) stellte Martin Mauermann die Pläne am 29. Oktober erstmalig vor. „Der Wille ist formuliert, die Grundlagen geschaffen. Die Details müssen natürlich noch ausgearbeitet werden. Aber die Planung ist so akzeptiert, wie sie vorliegt“, fasste der Leiter des Verkehrsmanagements bei der GDWS am Standort Mainz im Anschluss gegenüber Bonapart zusammen. „Ab 2017 wird in den Ämtern untersucht, wie und wo das Havariemanagement angesiedelt werden kann. Dann braucht es mit Sicherheit zwei Jahre, bis erfahrenes Personal gewonnen und geschult ist.“
Anfang 2011 war Mauermann als Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Bingen am Unglücksort der „Waldhof“-Havarie für die Koordinierung der Sicherungs- und Bergungsmaßnahmen zuständig. Im Anschluss beschäftigte er sich mit der Analyse des Havariemanagements bei „Waldhof“ und „Excelsior“, mit Fachlektüre, Chemieunfall-Studien sowie Befragungen, um mögliche Organisationsstrukturen auszuarbeiten. Diese Analyse ist seit 2013 abgeschlossen.
Havariemanagement als Notwendigkeit
Die Waldhof-Havarie bewerte die GDWS auf einer Skala von null bis sieben mit drei. Denn so tragisch der Vorfall mit zwei toten Besatzungsmitgliedern auch war: Mit toxischer oder brennbarer Ladung, der Havarie eines Fahrgastkabinenschiffes, einer vollen Überströmung des Schiffskörpers oder einer Explosion bei der Bergung hätte es schlimmer kommen können. Also tut laut Mauermann ein professionell aufgestelltes Havariemanagement speziell für schwere Havarien Not. Zumal die Zahl der Fahrgastkabinenschiffe als auch die Tonnage der auf dem Wasser beförderten Gefahrgüter über die Jahre zugenommen habe.
Ob das Havariemanagement Binnen einem WSA zugeordnet oder als Fachstelle bei einem Amt angesiedelt wird, steht noch nicht fest. Eine dritte Möglichkeit schließt man inzwischen aus. „Bei der GDWS als Mittelbehörde wäre die Stelle organisatorisch zu weit von ihren Aufgaben entfernt“, so Mauermann. Räumlich wäre der Stab irgendwo zwischen Mainz und Köln am besten aufgehoben. „Wichtig ist die Nähe zum Mittelrheintal, wo die meisten schweren Havarien stattfinden.“
Interdisziplinär aufgestellter Havariestab
Bei schweren Havarien werden die bisher regional verantwortlichen WSA-Außenbeamten künftig in den Havariestab mit eingebunden. Als Kern der zentralen „Havarietruppe“ sind zehn bis zwölf Personen vorgesehen, die im Ernstfall schnell und strukturiert handeln, führen und koordinieren können. Dazu müssen Erfahrung und Wissen vorhanden oder schnell abrufbar sein. In Technik und Nautik ebenso wie in Gefahrgut-Chemie, Krisenkommunikation oder in der Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen wie Feuerwehr oder THW.
Beispiel Chemie: „Der Erkenntnisprozess zur Ladung im Fall der ,Waldhof‘ hat zu lange gedauert: Erst nach sechs Tagen war klar, dass sich ein explosionsfähiges Gasgemisch gebildet hat“, verdeutlichte Mauermann. „Das muss zukünftig schneller gehen!“ Mit den aktuellen Telefonnummern der richtigen Institutionen in einer Software könne man deutlich schneller entsprechend der Gefährdungslage handeln sowie Helfer, Anwohner und wartende Binnenschiffer informieren.
Arbeitsmaterial und Bergungsgerät: Wer muss was vorhalten?
Untersucht wurde auch der Bedarf an Wasserfahrzeugen für verschiedene Bergungssituationen. „Dass Peilschiffe, Sidescanner, Taucherglockenschiff oder Havariepontons von der Verwaltung vorzuhalten sind, war schnell klar. Schweres Hebegerät, Schlepper, spezielles Messequipment oder Feuerwehreinsatzfahrzeuge wird die WSV aber nicht vorhalten und betreiben“, erklärte Mauermann. Fest stehe, dass alle Geräte auf die Größe heutiger Schiffe angepasst sein müssen. Eine eigene Einsatzzentrale vor Ort mit IT-Infrastruktur sowie sicherer und stabiler Netzanbindung sei ebenfalls unerlässlich.
Im Falle des „Waldhof“-Havariemanagements habe es ein funktionierendes Zusammenspiel der Beteiligten gegeben: So stand das WSV-Bereisungsschiff „Mainz“ als Einsatzzentrale zur Verfügung, Flächenpeilungen sowie die Einmessungen des Schiffskörpers wurden ebenfalls von der WSV durchgeführt. Die Wasseranalysen übernahm ein Messschiff des Landes, weiteres Equipment wurde etwa von Bergungsunternehmen geordert. „Was die WSV an Sicherungsequipment jedoch selbst hätte aufbringen können, beschränkte sich auf verlorene Schiffsanker, die in den Außenbezirken liegen“, merkte einer der Teilnehmer an.
Mit einem Bein im Gefängnis?
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Havariemanager gelte es ebenfalls zu verbessern. So stellte etwa das im Rahmen der „Waldhof“-Havariebewältigung notwendige, kontrollierte Ablassen von Säure in den Rhein formal eine Straftat dar, musste aber erfolgen. „Damit waren nicht alle Rheinanlieger sofort einverstanden. Rechtliche Unsicherheiten dieser Art lähmen die Arbeit“, so Mauermann.
Auch die Zuständigkeiten müssen im Havariefall zwischen den beteiligten Akteuren WSV, Feuerwehr und Polizei abgestimmt werden. „Am Ufer ist der Landrat verantwortlich; auf dem Wasser der WSA-Amtsleiter, so erschien es nach draußen. Das kann man zwar so darstellen, aber die wirkliche Zuständigkeitsverteilung ist anders und viel komplexer“, resümierte Mauermann. Ein weiterer Punkt seien Arbeitszeitverletzungen, die zu Beginn solch eines Unfalles hingenommen werden müssen, im weiteren Verlauf der Havarieabwicklung aber nicht mehr. Das würde bei einem Arbeitsunfall eventuell auch ein Staatsanwalt hinterfragen.
Zusammenarbeit der Organisationen institutionalisieren
Im Alltagsbetrieb soll der Havariemanager-Stab sich unter anderem mit Weiterbildungen, der Ausarbeitung von Szenarien sowie Statistik und Dokumentation beschäftigen. Auch das Netzwerken und gemeinsame Üben mit Feuerwehr, THW und anderen Organisationen auch etwa aus den Niederlanden wird auf dem Programm stehen. „Von der Rijkswaterstaat haben wir viel lernen können“, berichtete Mauermann. „Die Zusammenarbeit mit den niederländischen Kollegen wissen wir seit der „Waldhof“-Havarie sehr zu schätzen, und deren Organisationsgrad für den Havariefall hat mich beeindruckt.“ Man müsse die Ansprechpartner am besten auch persönlich kennen, um im Ernstfall die richtige Arbeitsebene nicht erst suchen zu müssen.
Mauermann war mit seinem Vortrag der Einladung des VWSD-Vorsitz um Heiko Buchloh auf die Jahrestagung der Vereinigung nach Vallendar gefolgt. Den Rahmen bildete ein Ausflug mit dem Fahrgastschiff „Fortuna“ zum Kaltwasser-Geysir Andernach.
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