Anfang Dezember drehte nicht nur der Freiburger Dönercopter seine Runden durch die Presse. Auch Amazon machte mit seinem angedachten Lieferservice „Prime Air“ von sich Reden. Bonapart sprach mit Kai Erne, Drohnenpilot und Initiator des Netzwerks luftbild-zentrale.de, über die Perspektiven der Luftzustellung in der Binnenschifffahrt.
Herr Erne, welche Chancen sehen Sie für die beiden aktuellen Projekte zum Thema Lieferung aus der Luft?
Ich denke, dass beide Projekte lediglich die öffentliche Diskussion anregen sollen. Ganz so weit wie die Macher sich das wünschen, sind wir nämlich noch nicht: Moderne Drohnen können sich zwar entlang von GPS-Punkten autonom bewegen. Aber bei wenigen Minuten Flugdauer kann ich mir nicht vorstellen, dass sich eine Lieferung über mehrere Kilometer ab Logistikzentrum rechnet. Zudem beschränkt der Gesetzgeber in Deutschland den Einsatzbereich auf die Sichtweite des Piloten. Der muss im Notfall in die Steuerung eingreifen können.
Halten Sie einen fliegenden Lieferservice für die Binnenschifffahrt für möglich und wirtschaftlich darstellbar? Ich denke da an einen festen oder mobilen Uferstandort an einem stark befahrenen Rheinabschnitt. Am besten auch mit nahegelegenen Liegeplätzen etwa bei Rees, Duisburg oder Köln. Dort sind die Schiffe stromabwärts auch mal mit 30 Kilometer pro Stunde unterwegs. Möglicherweise wären die Margen im Umfeld dieser Branche größer als bei der gewöhnlichen KEP-Zustellung „über Land“.
Ich schätze das Deck auf einer Schiffswohnung ist groß genug, dass ein geübter Pilot seine Drohne darauf landen kann. Zudem könnte man einen „Follow Me“ GPS-Sender an Deck aufstellen, auf dem die Drohne automatisch landet. Eine Landung auf einem stromabwärts fahrenden Schiff müsste man einfach mal ausprobieren. Ich denke aber, das ist möglich. Bei einem guten Standort und hinreichender Nachfrage wären Liefergebühren in Höhe von 10 oder 20 Euro pro Zustellung denkbar.
Postzustellung, Pizzabestellung, Proviantergänzung, Medikamenten- oder Ersatzteillieferung auf das fahrende Schiff – in Kooperation mit Paketdienst, lokaler Gastronomie und Lebensmittel-Lieferdiensten ergeben sich viele Möglichkeiten. Wo liegen die Grenzen der Drohne?
Das Gesamtgewicht darf fünf Kilogramm nicht überschreiten, so liegt die Zuladung professioneller Modelle bei zwei bis drei Kilogramm. Technisch möglich sind bis zu neun Kilogramm – aber da kosten die Fluggeräte nicht mehr 15.000 Euro, sondern über 100.000. Zusätzlich ist eine Sondergenehmigung nötig. Auch die Natur zeigt Grenzen auf: Gleichmäßiger Wind bis etwa 40 Kilometer pro Stunde ist zu bewältigen, Böhen machen es deutlich schwieriger. Bei Regen kann nicht; bei Dunkelheit darf nicht gestartet werden.
Für einen fliegenden Pizzaservice wäre ein unstetes Zeitfenster nur ärgerlich, für Postzustellungen oder Ersatzteillieferungen ist es möglicherweise zu vage, da Schiffe häufig einen engen Fahrplan einzuhalten haben. Da bleibt die Lieferung per Anlegestelle oder Autosteiger wohl der Favorit. Wie verhält es sich generell mit der Flugerlaubnis über Bundeswasserstraßen?
Ohnehin muss jeder kommerzielle Drohnenflug beim lokalen Ordnungsamt angemeldet werden. Von dort wird bei Bedarf auch die Wasserschutzpolizei informiert. Werden innerhalb von drei Tagen keine Bedenken geäußert, gilt der Flug meist als freigegeben – manche Ordnungsämter wie das in Köln verschicken jedoch eine Genehmigung per E-Mail, ohne die nicht gestartet werden darf.
Nach drei Tagen ist aber das Schiff weg und die Pizza kalt.
Ein Lieferservice von Land zu Schiff müsste wahrscheinlich pauschal und kontinuierlich jeden Geschäftstag als Flugtag anmelden. Möglicherweise ließe sich aber auch eine längerfristige Genehmigung für eine bestimmte Lieferzone erwirken. Das ist in Deutschland aber bestimmt nicht immer einfach.
Herr Erne, vielen Dank für das Gespräch.
Anmerkung der Redaktion: Auch die aktuelle Umfrage widmet sich dem Thema Lieferung auf das fahrende Schiff.
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