Ein Binnenschiff ganz ohne Schiffsführer? Das ist Zukunftsmusik. Doch wie auch im Auto geben Assistenzsysteme im Steuerstand die Richtung vor: Auf der Shipping-Technics-Logistics (STL) in Kalkar am 26. und 27. September haben in-innovative navigation und Argonics auf dem Messestand von Engel & Meier Schiffselektronik ein automatisches Bahnführungssystem sowie einen Brückenanfahrwarner vorgestellt.
Wird der RADARpilot720° mit dem argoTrackPilot zusammengeschaltet, zeigen die Leitlinien auf der Bildschirmkarte zwischen Radar- und AIS-Overlay nicht nur an, wo der Schiffsführer fahren sollte – das Schiff fährt die Route dank eines neu entwickelten Interface zwischen den beiden Systemen selbstständig ab. In diesem Automatik-Modus braucht der Schiffsführer nur noch die Linie mit den Tasten Links, Rechts und Home auf dem Display entsprechend der Verkehrssituation zu verschieben. Das Interface zwischen Leitlinien und Bahnführungssystem wird ab Oktober ausgeliefert. Die Erfassung eigener Linien ist möglich. Sie können etwa für verschiedene Beladungszustände oder Verbandskonfigurationen frei benannt, importiert oder exportiert werden.
Ruderlagen und Wendegeschwindigkeit setzt das System vollautomatisch. Die eingesetzte Steuerungshardware ist vom GL DNV zertifiziert. Für das Gesamtsystem gibt es noch keine Prüfrichtlinien. „Das System ist nicht in der Lage, Erfahrung und die erforderliche ,Situational Awareness‘ eines Schiffsführers zu ersetzen“, erklärt Argonics-Geschäftsführer Alexander Lutz. „Dennoch wird der Schiffsführer entlastet, die automatische Regelung reagiert feinfühlig bereits auf kleine Abweichungen und ermöglicht so eine verbrauchsoptimierte Fahrt“, ergänzt in-Geschäftsführer Martin Sandler.
Der argoTrackPilot ist bei vorhandenem GPS-Kompass und Autopilot beliebiger Hersteller zum Einführungspreis von 17.995 Euro zu haben. Dass zwei Schiffe ihre Leitlinien automatisch etwa via AIS austauschen und aneinander anpassen, ist bislang noch nicht vorgesehen. Unabhängig davon arbeite man im Rahmen des EU-Projekts NOVIMAR bereits an dem so genannten Platooning mit, verrät Lutz. Damit kann sich ein Schiff bei einem Vorausfahrenden einklinken. Doch dabei gebe es noch einige Details zu klären.
Brückenanfahrwarnung mit Satellit und Laserscanner
Eine Warnung vor zu niedrigen Durchfahrtshöhen weit im Voraus soll der Brückenanfahrwarner liefern, der ebenfalls im Rahmen des Forschungsprojekts LAESSI (Leit- und Assistenzsysteme zur Erhöhung der Sicherheit der Schifffahrt auf Inlandwasserstraßen) entwickelt wird: Präzise GNSS-Sensoren erfassen die aktuelle Höhe des Schiffes und vergleichen sie mit der Höhe der nächsten Brücke. Auf Basis von Kartendaten liefert der zweite Monitor zusätzlich eine skizzierte Brückendarstellung inklusive Beschilderung. Das Prinzip erinnert an Navigationssysteme im Auto, die etwa Autobahnschilder und Fahrspuren anzeigen, bevor diese in Sichtweite kommen.
Die Satellitennavigation kann gleichzeitig für eine präzise Ausrichtung der Karte im Radaroverlay und weitere Funktionen verwendet werden. Der auf der Messe gezeigte LAESSI-Prototyp zeigt im unteren Bildschirmbereich auch Abstände zu Spundwänden, Ufer oder Brücken an. Ein Annäherungsalarm ist einstellbar. Als Sensor dient ein rotierender Laserscanner, wie er bereits auf vielen Autobahnmautbrücken oder an führerlosen Fahrzeugen in der Fabrikautomation im Einsatz ist. Eine Markteinführung hält Sandler für binnen zwei Monaten realisierbar. Satelliten- und Lasersensoren sowie das Softwarepaket als Erweiterung für den RADARpilot720° dürften laut Sandler momentan für etwa 20.000 Euro erhältlich sein.
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