Umwelttechnik: Eine Frage der Glaubwürdigkeit

  • Von Christian Grohmann
  • 02.10.2014
  • Technik
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Umwelttechnik: Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Fünf Bodenseefähren haben die Stadtwerke Konstanz mit Abgasnachbehandlungsanlagen ausgestattet. Für das freiwillige Umweltengagement gab es Mitte Juni die grüne Umweltplakette des Aktionsbündnisses „Rußfrei fürs Klima“. Ohne die enge Zusammenarbeit mit dem Motoren-Hauslieferanten MTU wäre die rund 500.000 EUR teure Nachrüstung nicht möglich gewesen.

Wenn sich der BDB zurückhaltend gegenüber Abgasnachbehandlungtechnologien äußert, ist das für Stefan Ballier, Geschäftsbereichsleiter des Fährbetriebs der Stadtwerke Konstanz, nachvollziehbar. Denn das Vertrauen in die Technologie kommt nicht von heute auf Morgen. „Wir haben vor rund 20 Jahren begonnen, uns mit Filtern und Katalysatoren zu beschäftigen. Knapp drei Jahre haben wir konkrete Forschungen betrieben“, berichtet Ballier. „Es ist jedoch eine Frage der Glaubwürdigkeit, Umwelttechnik anzuwenden, sobald sie technisch machbar, zuverlässig und zugleich wirtschaftlich tragfähig ist.“

Vorreiter am Bodensee

Und das scheint auf dem Bodensee der Fall zu sein. Fünf von sechs Großfähren, die auf der Strecke Konstanz-Meersburg rund um die Uhr im Dauerbetrieb verkehren, sind seit dem Winter 2012/2013 mit modularen Abgasnachbehandlungssystemen zur Reduktion von Rußpartikeln und Stickoxiden ausgestattet. Bereits nach einem Jahr Vollbetrieb meldeten die Techniker Anfang November 2013: Die Abgasreinigungsanlagen reduzieren den Rußpartikel-Ausstoß nochmals um bis zu 98 Prozent.

Gemeinsam stoßen die fünf nachgerüsteten Fähren so jährlich rund 900 Kilogramm weniger Rußpartikel aus. Lediglich bei der nur als Zusatzschiff eingesetzten kleinsten Fähre „Fontainebleau“ verzichteten die Stadtwerke aus technischen und wirtschaftlichen Gründen auf die Nachrüstung.

Bereits ab 2009 hatten die sechs Fähren eine schrittweise Neumotorisierung hinter sich gebracht. Mit ihren neuen MTU-Motoren vom Typ 12V2000 und 8V4000 unterboten sie die Grenzwerte der Bodensee-Schifffahrts-Ordnung deutlich. Doch das reichte Stadtwerke-Geschäftsführer Kuno Werner und seinem Team nicht: „Wir sehen uns in der Pflicht, einen großen Beitrag zum Schutz der Umwelt zu leisten. Mit der größten Binnen-Fährlinie Europas wollen wir Vorreiter am Bodensee sein.“

Das scheint gelungen. Der Förderantrag über den Einbau von Abgasminderungstechnologien in gleich fünf Fähren dürfte der größte sein, der je bei der zuständigen Stelle der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Münster eingegangen ist. BUND-Verkehrsexperte Klaus-Peter Gussfeld lobte bei der feierlichen Enthüllung der Plakette auf dem Fährschiff „Kreuzlingen“ das Engagement der Stadtwerke: „Wir freuen uns, dass hier nicht lange geredet, sondern gehandelt wurde. Die von uns entwickelte Umweltplakette für Binnenschiffe verleihen wir daher mit Freude und in der Hoffnung, dass möglichst viele Reeder dem Beispiel folgen. Besonders in einer Region, die von ihrer biologischen Vielfalt und den naturliebenden Touristen lebt, bringt ein solches Engagement einen Mehrfachnutzen: Für Umwelt, Menschen und das Klima.“

Hohe Anforderungen

Technisch war es jedoch nicht einfach, zuverlässig funktionierende Abgasreinigungs-Anlagen zu finden, die auf die Antriebsmotoren mit ihren jährlich 4.500 Betriebsstunden optimal abgestimmt sind. „Für uns war es essentiell wichtig zu vermeiden, dass Filter- und Motorenhersteller im Problemfall die Gewährleistungsfrage hin und her schieben“, beschreibt Ballier, der sich angesichts großer Maschinenräume zumindest keine Sorgen über die Platzverhältnisse an Bord machen musste. „Um so mehr haben wir uns gefreut, dass unser Motoren-Hauslieferant MTU einwilligte, uns als Lieferant, Service- und Ansprechpartner für das Gesamtsystem zu unterstützen.“

Die vier mit 12V2000-Maschinen ausgerüsteten Fähren haben nun zusätzlich ein aus dem Hause HJS stammendes und von MTU als System geliefertes Abgasnachbehandlungssystem an Bord. Es besteht aus einem Oxidations-Katalysator sowie einem nachgeschalteten Dieselrußpartikelfilter. In Kombination mit dem Katalysator kommt der unbeschichtete Sintermetall-Filter ohne aktive Regeneration aus. Der Ruß brennt kontinuierlich ab, die entstehende Asche wird einmal jährlich entsorgt.

„Diese Arbeit können wir im eigenen Haus durchführen. Das war ebenfalls ein Auswahlkriterium“, so Ballier. Gemeinsam mit MTU hatte der städtische Fährbetreiber von 2010 bis 2012 intensiv geforscht, um das richtige Filtersystem für das vorhandene Fahrprofil zu finden. „Abwechselnd immer 15 Minuten fahren und 15 Minuten liegen – dieser Last- und Temperaturwechsel ist für die Abgasnachbehandlung fürchterlich“, erklärt Ballier. „Das System braucht die Temperatur, um vernünftig arbeiten zu können, wenn nicht aktiv nachverbrannt werden soll. Die HJS-Komponenten haben in unseren Testreihen und in der bisherigen Praxis gute Ergebnisse geliefert. Die Standzeiten sind lang und die Wartungsaufwendungen überschaubar.“

Auf der fünften Fähre, die mit 8V4000-Motoren läuft, erprobt MTU als Feldversuch ein eigenes Filtersystem aus dem Bahn-Segment. „Das ist zwar schon eine Serienkomponente – aber die maritime Anwendung bei uns auf dem See stellt noch einmal ganz andere Ansprüche“, unterstreicht Ballier.

Anspruchsvolle Technik

Ein weiteres Ergebnis der umfangreichen Tests war der Umstieg der gesamten Flotte auf ein aschearmes Motorenöl, was die Standzeiten ebenfalls erheblich verlängerte. In der Praxis machen sich die Abgasnachbehandlungssysteme auch auf andere Weise bemerkbar: Der jährliche Großputz ist deutlich weniger aufwändig, was den Besatzungen natürlich gefällt.

Allerdings mussten die Mannschaften erst einmal den Umgang mit der komplizierte Filtertechnik lernen. Zudem heizen die voluminösen Filter die Maschinenräume auf, die Anforderungen an Belüftung und Kühlung stiegen. Zwar hatte Ballier auch andere Technologien zur Schadstoffminderung hat im Blick, orientierte sich aber an den Erfahrungen und Vorschlägen des Motoren-Partners.

Mit Blick in die Zukunft

Mit der aktuellen Auszeichnung sind die Themen Umwelt und Effizienz für Ballier längst nicht abgeschlossen. Wie schon vor 20 Jahren denkt er auch heute darüber nach, welche Technik zukünftig an Bord Einzug halten wird. „Der dieselelektrische Antrieb macht für uns wirtschaftlich noch keinen Sinn – das Thema wird uns aber sicher weiterbeschäftigen. Wir schauen auch sehr gespannt auf die Elektrofähre in Norwegen. Das Thema LNG wird ebenfalls zunehmend interessant – bei unseren Motorengrößen aber nur im Reinbetrieb“, so Ballier. „Sicher ist nur, dass Diesel in Zukunft nicht die einzige Kraftquelle sein wird.“ Konkrete Pläne der Stadtwerke Konstanz gibt es noch keine zu verraten.

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