Der Schiffsführer geht als letzter von Bord? Der Schiffsführer geht gar nicht erst an Bord! Oder er gönnt sich ein Nickerchen, während die Lotsin durch das auch langfristg streckenkundepflichtige Mittelrheintal steuert – per Fernsteuerung. Zukunftsmusik? Wer weiß, wie lange noch. In Kopenhagen haben der Technologiekonzern RollsRoyce und der Schleppdienst Svitzer Anfang des Jahres Erprobungen mit der Fernsteuerung eines Hafenschleppers durchgeführt.
Wie die Unternehmen am 20. Juni berichteten, stand die 28 Meter lange „Svitzer Hermod“ insgesamt 16 Stunden unter dem Kommando von außerhalb. Aus Sicherheitsgründen befand sich dennoch eine komplette Besatzung an Bord. Unter deren Beobachtung fuhr das Boot an Kaimauern heran, vollzog 360-Grad-Drehungen oder zog seine Runden durch ein freigegebenes Gebiet im Hafengebiet.
Verbunden in beide Richtungen
Mit Kameras, Funkverbindungen, Außenmikrofonen, Radar und Lidar – einem Laser-Nahbereichsscanner – habe der Kapitän vor seinem 180-Grad-Wandbildschirm, Steuerelementen und verschiedenen Anzeigen Situationsbewusstsein und Navigationsfähigkeit bewiesen. Die Positionskontrolle erfolgte via Satellit, Audio- und Datenverbindungen wurden zusätzlich mit 3G- und 4G-Mobilfunk gestützt.
Einem Bericht von Fathom News zufolge war der Kapitän an Land nach zwei Trainingssitzungen in der Lage, An- und Ablegemanöver über die Fernverbindung durchzuführen. Für den gesamten Test seien 400 Prüfkriterien sowie 42 Sicherheitsbestimmungen zu erfüllen und 61 Cyber-Sicherheitstests zu bestehen gewesen. Wie vorsichtig RollsRoyce mit dem Thema umgeht, zeigt die um mehrere Monate verzögerte Bekanntgabe von spärlichen Details. Testaufbau und -fahrten standen zudem unter Beobachtung von Lloyd’s Register.
Disruptive Technologien
Svitzer-Chefingenieur Kristian Brauner unterstrich die Notwendigkeit derartiger Versuche: „Disruptive Technologien werden auch den maritimen Sektor verändern. Wir müssen Erfahrungen sammeln, wie wir den Kundennutzen sowie die Sicherheit unserer Besatzungen erhöhen und gleichzeitig Kosten sowie den ökologischen Fußabdruck unserer Dienstleistungen reduzieren können.“
Weitere Erprobungen haben die Unternehmen bereits vertraglich vereinbart. Dieser Machbarkeitsnachweis auf einem kleinen Fahrzeug in relativ sicherer Umgebung stellt für RollsRoyce nur einen ersten Schritt dar. Man wolle die (Teil-)Automatisierung von Seeschiffen weiter forcieren. Und was in der Seeschifffahrt funktioniert, könnte auch in der Binnenschifffahrt Einzug halten. Höchstwahrscheinlich ein paar Jahre später.
Weitere Fotos des Fahrstands zeigt der Flickr-Account von RR. Von den Anlagen auf dem Schiff gibt es keine Fotos.
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