Standpunkt: Rohrkrepierer WSV-Reform

Standpunkt: Rohrkrepierer WSV-Reform

Elf Jahre nach dem Jahrhunderthochwasser von 2002 wurde Deutschlands Osten und Süden im Juni erneut durch katastrophale Dauerregen geflutet, dessen Auswirkungen an vielen Stellen noch über das frühere Schadensmaß hinausgingen.

Katastrophenschutz, Feuerwehr, technische Hilfswerke sowie die Wasser- und Schifffahrtsämter haben alle verfügbaren Kräfte aufgebracht und konnten in Tag- und Nachteinsätzen Schlimmeres verhindern. In einer spektakulären Aktion schlossen Experten des WSA Magdeburg und der Deutschen Binnenreederei einen 100 m langen Dammbruch bei Fischbeck durch das Versenken von drei Schubleichtern.

Aber auch die Häfen an Elbe und Saale waren aktiv in den Katastrophenschutz eingebunden. So waren in den Häfen Torgau und Aken zentrale Sandsackfüllstationen eingerichtet, für die entweder auf  vorhandene Baustoffvorräte zurückgegriffen wurde oder Nachschub per Lkw von Hafenkunden geliefert wurde.

Oft waren die ergriffenen Hochwasserschutzmaßnahmen auch blanker Selbsterhalt: So entschied die belgische Konzernleitung eines im Hafen Aken ansässigen Glasproduzenten, dass man das Werk im Falle von Hochwasserschäden aufgeben werde – erst recht Motivation für die Mitarbeiter und die Hafenleitung, durch den Bau eines Hochwasserschutzdamms für den Erhalt der Arbeitsplätze zu sorgen.

Fatale Verzögerung

Konnte die Dresdner Altstadt mit ihren historischen Gebäuden durch eine mittlerweile gebaute mobile Hochwasserschutzwand geschont werden, so sind an vielen anderen Stellen erneut unnötige Schäden eingetreten. Ursache waren zwar geplante, aber aus finanziellen Gründen nicht ausgeführte Hochwasserschutzprojekte sowie in einigen Fällen Einsprüche von Anliegern gegen den Bau von Schutzdämmen. Einer der Verantwortlichen in Sachsen musste gar unter Polizeischutz gestellt werden.

Als fatal erweist sich auch der unter Rot-Grün aus ideologischen Gründen gestoppte Ausbau der Elbe und dessen weitere Verzögerung durch die jetzige schwarz-gelbe Bundesregierung. Durch den ‚Klingen Erlass‘ sind seit zwei Jahren dringend notwendige Haushaltsmittel für die Instandhaltung der Wasserstraßen Elbe und Saale gesperrt und werden stattdessen an den viel befahrenen Strecken des Wasserstraßennetzes im Westen ausgegeben.

Anstatt längst überfällige Entscheidungen für den Ausbau der Elbe mit einem Wasserstand von 1,60 Meter an 345 Tagen im Jahr zu treffen, hat das BMV in den vergangenen vier Jahren alles getan, um die Beseitigung der letzten Engstellen im Fahrwasser zwischen Lauenburg und der tschechischen Grenze bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hinauszuzögern.

Ausbaumaßnahmen bieten Hochwasserschutz

Da Flussausbau in erster Linie Hochwasserschutz ist, wurde die Chance vertan, aus den Schäden der Vergangenheit zu lernen und durch qualifizierte Investitionen in die Wasserstraßen erneuten Schäden vorzubeugen. So hätte etwa durch den Bau des Saaleseitenkanals das Wassereinzugsgebiet der Saale einen zweiten Abfluss in die Elbe bekommen.

Bei der nun aufgetretenen Wetterlage hätte dies dazu geführt, dass der Hochwasserscheitel der Saale vor dem der Elbe abgeflossen wäre, was ein gleichmäßigeres Ableiten der Wassermengen ermöglicht hätte. Stattdessen haben sich die Hochwasserscheitel beider Flüsse addiert mit den bekannten katastrophalen Folgen für die weiter flussabwärts gelegenen Gebiete an Elbe und Havel.

Struktur erhalten – Fachwissen bewahren

Für Bundesverkehrsminister Ramsauer sollte das erneute Jahrhunderthochwasser Warnung sein, seine Pläne einer drastischen Reduzierung der Wasser- und Schifffahrtsämter in die Tat umzusetzen. So hat der Personalratsvorsitzende des WSA Stuttgart in einer Presseerklärung darauf hingewiesen, dass die 300 Beschäftigten zur Sicherung der Wasserstraße Neckar gegen die Hochwasserwelle Ende Mai über 20.000 Arbeitsstunden geleistet haben: „Die Mitarbeiter identifizieren sich mit ‚ihrem Neckar‘ und stellen zur Gefahrenabwehr ihr Privat-und Familienleben hinten an, um alles dafür zu tun, Mensch, Industrie und Umwelt zu schützen und die Schifffahrt schnellstmöglich wieder zu öffnen“.

Die Kenntnisse und das Fachwissen über die außergewöhnlich hohe Anlagenzahl, welches über Generationen hinweg innerhalb des WSA Stuttgart weitervermittelt wurde, mache dies erst möglich. „Die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sieht vor, diese gut funktionierende Struktur zu zerstören“, so Oliver Kern – eine Aussage, die ähnlich auch für die vom Hochwasser betroffenen Gebiete an Elbe, Saale, Main und Donau Gültigkeit hat.

Da ist es nur verständlich, wenn die Beschäftigten nicht nur bei Hochwasser für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen und sich nunmehr durch einen bundesweiten Streik gegen Ramsauers verkorkste WSV-Reform zur Wehr setzen. Von Beginn an litt dieses zentrale Projekt der Amtszeit des CSU-Politikers daran, dass es im stillen Kämmerlein ohne substantiellen Sachverstand von einer kleinen Riege getreuer Weggefährten des Ministers ersonnen wurde und nunmehr über die Köpfe der Betroffenen hinweg unter Auslassung demokratischer Beratungsinstanzen par ordre du mufti durchgesetzt werden soll.

Darüber hinaus zeigten sich Ramsauer und seine Vollzugsclique absolut beratungsresistent, denn weder die Warnungen der Gewerbeverbände aus Schifffahrt und Häfen oder eindeutige Beschlüsse der Länderverkehrsminister noch Bedenken sachkundiger Oppositionspolitiker konnten ihn von seinem Vorhaben abbringen.

Streit wird auf dem falschen Rücken ausgetragen

Mit dem nunmehr für mehrere Wochen angekündigten bundesweiten Streik trägt Ramsauer die Folgen seiner verkehrspolitisch fragwürdigen Entscheidungsstrategien auf dem Rücken derjenigen aus, die es sich im Augenblick am wenigsten leisten können: Die vor allem mittelständischen Unternehmer der Binnenschifffahrt leiden seit vier Jahren unter einer katastrophalen Markt- und Frachtenentwicklung und sind nun durch die Folgen des Hochwassers und  weitere streikbedingte Umsatzausfälle in ihrer Existenz bedroht.

Aber auch die vom Hochwasser betroffenen Binnenhäfen sind dringend auf leistungsfähige Wasserstraßen angewiesen, um ihre Stammkunden zu bedienen. Ein mehrwöchiger Streik könnte die Verlader veranlassen, ihre Transportmengen dauerhaft auf andere Verkehrsträger zu verlagern – ein Szenario, das Bundesverkehrsminister Ramsauer am Ende seiner Amtszeit im Wahlkampf wohl kaum gebrauchen kann – hat er doch gegenteilige Entwicklungen zu Gunsten der Binnenschifffahrt versprochen. Die WSV Reform droht damit zum wirtschafts- und verkehrspolitischen Rohrkrepierer zu werden, den Peter Ramsauer selbst zu verantworten hat.

Der Autor Hans-Wilhelm Dünner ist Herausgeber und Chefredakteur des Fachmagazins Schiffahrt Hafen Bahn und Technik. Der Text erscheint auch als Editorial der Ausgabe 5/2013.

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