Auch wenn die Menge tendenziell weiter abnimmt – die Binnenschifffahrt wird sich noch eine Weile auf die Kohle als Transportgut verlassen können. Diese Zusage traf Dr. Wolfgang Cieslik, Präsident des Vereins der Kohleimporteure und Mitglied der Geschäftsführung des Stromversorgers STEAG aus Essen als Gastredner des VBW-Banketts am 6. Oktober in Duisburg.
Noch 2013 wurden in Deutschland 61 Millionen Tonnen Steinkohle verbraucht. 2015 waren es bereits 3,3 Millionen Tonnen weniger, haben die Kohlenimporteure ermittelt. Die Zahlen der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt belegen das. Und zeigen weiterhin: Auf dem Rhein, wo 85 Prozent aller Binnenschiffstransporte stattfinden, sind die Kohletransporte von 2014 auf 2015 laut ZKR-Marktbeobachtung um 4,3 Prozent zurückgegangen. Das ist ein Rückgang um 1,4 Millionen Tonnen. Noch zählt Kohle mit einem jährlichen Transportvolumen von rund 35 Millionen Tonnen zu den wichtigsten Transportgütern der Binnenschifffahrt.
Schwankungen abfedern
Doch trotz der politisch gewollten Energiewende und anhaltender Schwäche der deutschen Grundstoffindustrien: „Die Steinkohle wird auch über 2050 hinaus ein wichtiges Transportgut bleiben, denn sie wird einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität leisten müssen“, erklärte Cieslik vor rund 50 Gästen auf dem Festbankett des Vereins für europäische Binnenschiffahrt und Wasserstraßen (VBW).
Zwar machen erneuerbare Energien wie Wind, Photovoltaik und Wasser fast die Hälfte der Energieerzeugungskapazität in Deutschland aus. Ihr Beitrag zur Bruttostromerzeugung beträgt allerdings nur rund 20 Prozent. Grund hierfür sei die mangelnde Marktintegration: Noch immer fehlen Energietrassen und Speichertechnologien, um den inzwischen im Überfluss produzierten Ökostrom sinnvoll verwenden zu können. Da sich der Bau von leicht regelbaren Gaskraftwerken kaum rechne, Gebe es in diesem Sektor keine Neubauprojekte.
Kohle im Teillastbereich gleich auf
„Im zur Netzstabilisierung fast ausschließlich benötigten Teillastbereich hat Erdgas keine Klimavorteile gegenüber der Steinkohle“, so der Brennstoffingeneiur. Die effizienten Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke ließen sich nicht so gut im Teillastbereich fahren. „Kohlekraftwerke dagegen können heute flexibel gefahren werden, um Spitzen abzufedern und in windstillen oder sonnenarmen Zeiten die Versorgungsstabilität zu sichern.“ Im Stromerzeuger-Mix seien sie deshalb noch auf Jahrzehnte unverzichtbar, da ja schließlich auch der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen ist und sich laut Cieslik auch die Anzeichen mehren, dass Deutschland auch aus der Braunkohleverstromung aussteigen will.
Zukunftsperspektiven sieht Cieslik, der auch Präsident des europäischen Dachverbandes EUROCOAL ist, vor allem für die nach 2013 entstandenen Kohlekraftwerksstandorte, die über einen Anschluss an das Wasserstraßennetz verfügen. Dazu gehören Hamm, Hamburg-Moorburg, Karlsruhe, Lünen, Mannheim, Walsum und Wilhelmshaven, die alle mit einem Wirkungsgrad von 46 Prozent laufen sollen. Allerdings werde auch die Kraftwerkslogistik mit zunehmender Flexibilität komplexer.
Erneuerbare nicht zu stoppen
Global gesehen wies Cieslik darauf hin, dass der Energiehunger weltweit nicht ohne Kohle zu stillen sei. Dennoch: „Jeder macht einen Fehler, der denkt, man könne die Erneuerbaren aufhalten“, so Cieslik. „Wir dürfen nur nicht den Fehler begehen, das Know-How um thermische Kraftwerke abzubauen.“ Schließlich können diese ja auch mit Biogas oder als Gas gespeicherter Wind- oder Sonnenstrom (Power-to-Gas) befeuert werden.
Eine weitere Herausforderung sei die Umstellung des Individualverkehrs auf Elektroantrieb: Führen alle Autos elektrisch, würde sich der deutsche Stromverbrauch verdoppeln. Cieslik: „Da macht das Netz nicht mit.“ Auch die Kosten für Netzausbau und Ökostrom müssen getragen werden. „Wie ein unternehmerisches Ziel auch muss die Energiewende realistisch, und nicht nur ideologisch betrachtet werden.“ Wenn die Industrie abwandere, weil die Netzstabilität in Deutschland langfristig nicht zu gewährleisten sei, werde es spannend.
Anpassung von allen gefragt
Um sich auf die veränderte Lage einzustellen, werde auch bei STEAG geforscht und erprobt. Wie von Cieslik angedeutet, teilte das Unternehmen am 14. Oktober die Inbetriebnahme von drei Großbatterie-Systemen in Herne, Lünen und Weiher mit. Weitere Standorte in Duisburg-Walsum, Bexbach und Fenne sollen folgen. Gemeinsam können die sechs Zwischenspeicher eine Gesamtleistung von 90 Megawatt kurzfristig bereitstellen. Dafür hat STEAG nach eigenen Angaben rund 100 Millionen Euro investiert.
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